Der ESC 2025 ist nur noch knapp 3 Wochen entfernt und daher ist es nun an der Zeit, sich den einzelnen Beiträgen aller 37 teilnehmenden Länder zu widmen. Ich werde jeden Beitrag kurz bewerten und dann die Erfolgschancen evaluieren. Beginnen wir beim letzten Platz (Montenegro) und enden bei meinem Lieblings-Song (aus Norwegen).
Platz 37: Montenegro
Es war schön zu hören, dass sich das kleine Land vom Balkan nach zweijähriger Pause zu einer Rückkehr aufraffen konnte. Und ebenso toll, dass es auch eine recht umfangreiche Vorentscheidung geben würde. Das Ergebnis und der Ablauf ließen jedoch stark zu wünschen übrig. Zum einen fährt nach der Absage des VE-Siegers nur die Zweitplatzierte nach Basel, zum anderen handelt es sich bei "Dobrodošli" um eine recht höhepunktarme, wenn auch gut gesungene klassiche Ballade. Das ganze beginnt dramatisch, bleibt aber (zumindest bei mir) kaum hängen. Ein klassischer Beitrag, der keinem wehtut und wenig polarisiert. Daher rechne ich mal wieder mit einem Semifinal-Aus für Montenegro und (nach 2013 auch wieder für) Nina Žižić.
Platz 36: Irland
Emmy aus Norwegen fährt in irischen Diensten in die Schweiz. Und zwar mit einem extrem billig produzierten Europop-Song über die sowjetische Weltraum-Hündin Laika. Der Wortwitz von "Like A Party" und "Laika Party" ist noch mit das beste an der ganzen Show.
Platz 35: Slowenien
Voll auf die Tränendrüse drückt der slowenische Comedian Klemen mit einer ganz und gar nicht lustig daherkommenden Ballade. Wenn auch gut gesungen, finde ich diese Nummer dann doch eher zu gewollt und null authentisch. Seit die Jurys im Semifinale nicht mehr abstimmen, haben solche Songs kaum eine Chance aufs Finale.
Platz 34: Zypern
Wenn schon Techno, dann bitte Belgien statt Zypern. Zypern schickt wie schon in den Vorjahren wieder eine komplett kalkulierte und glattpolierte Performance mit einem mir vollkommen unsympathischen Interpreten. Im Gegensatz zu Platz 35-37 sehe ich hier aber aufgrund der Optik des Sängers und der modernen Produktion aber noch Restchancen auf einen Finalplatz, auch aufgrund des sehr guten letzten Startplatzes im ersten Semifinale.
Platz 33: Litauen
Das baltische Land Litauen hat sich seit 2020 zu einem meiner Lieblingsländer gemausert und war in den letzten vier Jahren auch immer im Finale vertreten und gut platziert. Diesmal gibt es zwar erneut die Landessprache, aber auch eine sehr sperrige Nummer zu hören. Die dystopisch wirkende Rocknummer "Tako akys" hat zwar ihre schönen Momente (bei mir das letzte Drittel), kann aber wohl nur auf eine begrenzte Zielgruppe setzen.
Platz 32: Griechenland
Bei Griechenland rechne ich mit einem Ergebnis wie bei "Grito" aus Portugal 2024 oder "Bridges" aus Estland 2023: eine knappe Finalqualifikation und dann ein Top-Ergebnis bei den Jurys im Finale und bedingt dadurch eine untere Platzierung in den Top10 insgesamt. Dieser Song ist eben klassisches Juryfutter mit dem tollen Gesang, aber der ansonsten recht unspektakulären Melodieführung. Da die Nummer dennoch recht authentisch (weil "typisch Griechisch") ist, könnte sie auch bei den Zuschauern genug Anklang für den Finaleinzug finden.
Platz 31: Armenien
Armeniens Beitrag "Survivor" besticht durch harte Rockklänge, die raue Stimme von Parg und, wie vor kurzem mitgeteilt, auch durch die teilweise Verwendung der Landessprache im Refrain. An der in der Vorentscheidung gezeigten Performance sollte man noch Anpassungen vornehmen, um den Song aus der Masse herausstechen zu lassen. Allein das Genre dürfte nicht ausreichend sein.
Platz 30: Georgien
Wie das südliche Nachbarland Armenien besticht auch der georgische Beitrag durch traditionelle Sounds und die schöne Landessprache, die für mitteleuropäische Ohren sehr exotisch klingt. Alle bisher auf Georgisch gesungenen Beiträge (2012, 2018 und 2019) scheiterten deutlich im Halbfinale. Dieses Schicksal könnte auch "Freedom" ereilen, denn die Melodieführung durch das sich ständig verändernde Genre wirkt teils recht anstrengend auf den Zuhörer. Beliebt wär das ganze wohl vor allem bei den Jurys, aber die haben im Semifinale noch nichts zu melden.
Platz 29: Kroatien
Den wohl größten "Downgrade" im Vergleich zum Vorjahr schickt Kroatien nach Basel: nach dem zweiten Platz und Televotingsieg in Malmö konnte man eigentlich davon ausgehen, dass der Hype auch dieses Jahr zu einem ansprechenden Beitrag führt. Doch leider trafen die Kroaten die aus meiner Sicht schlechteste Entscheidung unter den Beiträgen im Vorentscheid Dora. Marko mag ja ein sympathischer Kerl sein, aber diese krude Mischung aus dem Titelsong der Serie "Die Schlümpfe" und einer amtlichen Rocknummer verursacht mehr Fremdscham als Freude. Auffallen um jeden Preis zu Lasten der Song-Qualität wird Kroatien wohl den Weg ins ESC-Finale verbauen.
Platz 28: Spanien
Das mit Abstand schlimmste Revamp präsentiert uns in diesem Jahr die spanische "Diva" Melody. Ihr Beitrag besteht gerade in der zweiten Hälfte seit der Umgestaltung fast nur noch aus wummernden Elektrobeats, wodurch der ursprüngliche Charme des eigentlich recht eingängigen Popsongs komplett baden geht. Viel hilft eben nicht immer viel und ich fürchte, Spanien wird sich auch diesmal wieder jenseits von Platz 20 wiederfinden.
Platz 27: Lettland
Zum ersten Mal seit Istanbul 2004 singt der baltische Staat Lettland wieder in seiner recht "speziellen" Landessprache. Dass die sich auch gut in einen Song einfügen kann, haben die Vertreter von 2022, Citi Zeni, mit ihrem Vorentscheidungs-Beitrag 2025 namens "Ramtai" bewiesen. Der schlussendlich ausgewählte Beitrag namens "Bur man laimi" ist zwar recht atmosphärisch und vermittelt mit dem elfenhaften Look der Sängerinnen einen Look á la Avatar aus Pandora. Ich gehe zwar von einer gesanglich harmonischen Performance aus, aber ob das für den Finaleinzug reicht?
Platz 26: Portugal
Ich höre ihn ja eigentlich recht gerne, den typisch ruhigen, handwerklich gut gemachten Sound des Festival da Cancao, der auch bei der siegreichen Band Napa eindeutig vernommen werden kann. Ich befürchte jedoch, dass der Song zu unscheinbar daherkommt, um bei reinem Televoting die Top10 zu erreichen. Noch dazu haben sie die wohl schlechtestmögliche Startnummer erwischt und müssen direkt nach den großen Favoriten KAJ aus Schweden heran.
Platz 25: Italien
Zum zweiten Mal seit der Rückkehr zum ESC (nach 2016) hat der Sanremo-Sieger das Ticket zum ESC (in diesem Fall zugunsten seiner eigenen Tournee) ausgeschlagen. Daher werden wir auf der ESC-Bühne in der Schweiz den Zweitplatzierten Lucio Corsi sehen, eine optische Verschmelzung von Michael Jackson und einem Pantomimen. Die Nummer selbst ist für italienische Verhältnisse recht einfach gestrickt, eine Softrock-Nummer, die entfernt an den wenig erfolgreichen Beitrag aus San Marino von 2011 erinnert. Eigentlich ein schlechtes Omen, aber Italien sollte man nie unterschätzen.
Platz 24: Aserbaidschan
Aserbaidschan schickt in diesem Jahr mal wieder einen nur sehr wenig an traditionelle Musik angelehnten Popsong ins Rennen, der zwar während er im ESC-Radio läuft nicht stört, aber auch nicht für Euphorie sorgt. Es kann natürlich sein, dass der Song nur unter meinem Radar läuft, aber das gleiche Problem hatte ich schon mit den Beiträgen 2022-2024. Und wo die am Ende (zumindest beim Televoting) platziert waren, spricht Bände. Dem Land wäre zumindest ein Finaleinzug natürlich nach mauen Jahren unbedingt zu wünschen.
Platz 23: Australien
Inzwischen in meinem Ranking gestiegen ist der Milchshake-Man aus Down Under. Die Nummer ist voll darauf ausgelegt, das Televoting im Semifinale zu überstehen und könnte mit ihrer Eingängigkeit sogar den einen oder anderen Juror überzeugen. Es ist einer der kurzweiligsten Beiträge im Aufgebot, kann aber bei übertrieben hektischem Staging auch ins nervige übergehen. Hier wird es also ein Balance-Akt sein, das richtige Maß an Show auf die Bühne zu bringen.
Platz 22: Tschechien
Der tschechische Adonxs bringt eine gut gesungene und modern produzierte Pop-Nummer mit balladesken Elementen nach Basel. Was es definitiv nicht gebraucht hätte ist der recht künstlich eingefügte Dance-Break nach 2 Minuten, die einen vollkommen "aus dem Flow" bringt und irgendwie nicht recht zum Rest des Songs passt. Die Buchmacher sehen Tschechien inzwischen in den Top10, vielleicht erkennen die etwas, was ich nicht sehe.
Platz 21: Frankreich
2024 war Slimane mit Abstand der erste Interpret, der seinen Beitrag vorstellte. In diesem Jahr ließen uns die Franzosen uns von allen Teilnehmern am längsten warten. Und auch wenn der Song nicht ganz so dramatisch wie der Viertplatzierte Song des Vorjahres ist, hat auch diese Ballade ihre wunderschönen Momente. Ob Louane am Ende auf ihre recht große Bekanntheit in Europa oder eher auf die Jurys setzen kann, wird sich zeigen. Insgesamt hat Frankreich aber durchaus wieder Chancen auf eine gute Platzierung, ich persönlich finde einfach nur 20 andere Songs besser.
Platz 20: Großbritannien
Die Briten bringen in diesem Jahr (zumindest bezogen auf die Lyrics) den Song zur Hangover-Filmreihe auf die Bühne. Am besten gefallen mir die stimmliche Harmonie und der Voll-auf-die-Zwölf-Refrain, der so auch in High School Musical oder ähnlichen Produktionen laufen kann. Remember Monday sind ein etabliertes Trio, das durchaus mit Bühnenpräsenz glänzen kann. Andererseits kann es auch sein, dass das ganze bei den Zuschauern als unfreiwillig komisch herüberkommt und im schlimmsten Fall wieder eine fette 0 im Televoting als Ergebnis steht. Das wäre aber bei diesem an sich runden Paket extrem schade.
Platz 19: Malta
Miriana Conte zählte schnell zu meinen Lieblingen im maltesischen Vorentscheid – und ich persönlich bin extrem froh, dass sie trotz der frühen Startnummer gegen die übermächtig wirkende Kristy Spiteri den Vorentscheid gewinnen konnte. „Serving“ ist recht modern und musikalisch gerade so trashig verspielt, dass es mich zum Lächeln bringt.
Platz 18: Estland
Im Grunde war es ja nur eine Frage der Zeit, dass auch Tommy Cash, der zuvor u.a. bereits mit Käärijä und Little Big zusammenarbeitete, am ESC teilnimmt. Im Gegensatz zu diesen bekannten Namen kommt Tommy Cash musikalisch eher brav rüber: „Espresso Macchiato“ stellt sich als gut gelaunte Popnummer heraus, die auch wegen des ungewöhnlichen Tanzes seine Fans finden dürfte. Ich höre gern hin und liebe vor allem das erste Musikvideo zum Lied, welches von Andy Warhols „Eating A Burger“ inspiriert ist. „Espresso Macchiato“ an sich habe ich mir aber mittlerweile schon fast überhört.
Platz 17: Dänemark
Dänemark bleibt Dänemark und schickt Pop ohne jede Ambition. An „Hallucination“ ist erstmal überhaupt nichts verkehrt, das Lied geht ins Ohr, hat schöne elektronische Elemente und Sissal ist eine tolle Sängerin und Performerin. Allein: Das Gesamtpaket wirkt so altbacken und in die Jahre gekommen, das würde wohl selbst in Deutschland keine Radiojury mehr in die Vorentscheidung lassen.
Platz 16: Israel
Wo holt Israel eigentlich immer die ganzen stimmgewaltigen Sängerinnen her?! Yuval Raphael ist dabei keine Ausnahme. Das Lied baut sich bis zum großen, dramatischen Finale schön auf. Für mich sind die Chanson-haften Elemente auf dem Weg dahin immer noch ein kleiner Fremdkörper. In der Videoversion kriegt mich der Titel noch nicht so ganz. Ich kann mir aber vorstellen, dass der Beitrag auf der ESC-Bühne seine volle Kraft entfaltet.
Platz 15: Island
Ob es an der geographischen Abgeschiedenheit liegt? Island besitzt eine ganz besondere Musiklandschaft, die immer wieder Ungewöhnliches hervorbringt. Und auch wenn der ESC in Island sehr beliebt scheint, finden sich leider viel zu selten diese ungewöhnlichen Musikstücke beim ESC wieder. Dieses Jahr stellt da keine Ausnahme dar und das Rap-Duo VÆB möchte zwar ordentlich Laune machen, segelt dabei aber momentan gekonnt an meinen Ohren vorbei.
Platz 14: Serbien
„Mila“ sorgt für Nostalgie bei mir. Es erinnert an die klassischen Beiträge Serbiens oder anderer Ex-Yugo-Staaten vor zwanzig Jahren. Ich bin mir nur manchmal unschlüssig, ob die Nostalgie tolle Erinnerungen und Gefühle hervorruft oder ob sie alles altbacken wirken lässt. Bei „Mila“ liegt die Wahrheit wohl irgendwo in der Mitte. Princ hat eine starke Stimme, das Lied reißt mich jedoch nicht vom Hocker.
Platz 13: Schweden
„Bara Bada Bastu“ – das sagt schon der großartige Songtitel – ist partysong-animierend bis zum Anschlag, der Refrain ist genial mitreißend. Außerdem ist das toll produziert und es gibt einen beschwingten Spannungsbogen von der ersten bis zur letzten Sekunde. Das vorausgeschickt ist jetzt so ein Comedy-Spin nicht so mein Ding, so mit Holzfällerhemden und Sauna-Klischees. „Bada Nakna“ von Samir & Viktor finde ich besser und in der gleichen Kategorie „Espresso Macchiato“ in diesem Jahr auch. Es will mir nicht in den Kopf, dass das gewinnen soll. Daher kommt der (fast schon obligatorisch) große Favorit Schweden bei mir nur ins obere Mittelfeld.
Platz 12: San Marino
Vom Sanremo-Festival ist mir außerhalb der vielen Beiträge ganz klar dieser Jingle in Erinnerung geblieben – kein Wunder, dass San Marino diesen catchy Song direkt eingetütet hat und jetzt nach Basel schickt. In meiner Playlist läuft der Beitrag rauf und runter und macht mir wirklich jedes Mal gute Laune (und Lust auf einen Italienurlaub). Ich muss aber sagen, dass ich mir ein wenig Sorgen um die Live-Performance mache. Auf der großen ESC-Bühne konnten DJs bisher noch nicht so punkten und auch beim San Marino Song Contest war die Performance von Gabry Ponte noch nicht optimal.
Platz 11: Niederlande
Zeitlos muss beim ESC ja nicht schlecht sein – und das ist „C’est La Vie“ in jedem Fall. Dazu kommen die Stimme von Claude und die Botschaft des Liedes. Ansonsten kann ich aber den Hype nicht ganz verstehen. Ich fühle mich durch die englisch-französischen Klopfreime auf Kindergartenniveau auch nicht wirklich ernstgenommen. Darüber rege ich mich dann so auf, dass ich das Schöne an dem Betrag möglicherweise überhöre/übersehe. Der Song aus meiner Sicht ist Material für die obere Tabellenhälfte, aber keinesfalls ein Sieges-Aspirant.
Platz 10: Luxemburg
„La poupée monte le son” verbreitet gute Laune und ist ein richtiger Ohrwurm. Leider aber auch ein Ohrwurm, der recht schnell zu nerven beginnt. Aber beim ESC zählt ja der erste Eindruck. Laura hat eine angenehm unbedarfte Natürlichkeit, muss diese aber noch besser zur Geltung kommen lassen. Und die Performance, die noch ein bisschen nach Schultheater aussah, muss auf jeden Fall noch auf das Niveau der großen ESC-Bühne gebracht werden.
Platz 9: Deutschland
Selten habe ich bei einem deutschen Song so eine krasse Diskrepanz zwischen Inlands- und Auslands-Wahrnehmung empfunden. Während der Titel bei den Fans in Europa häufig gefeiert wird, gibt es hierzulande sehr oft Schulterzucken oder Egaligkeit. Ich mag „Baller“ sehr und feiere den Song. Zwei Dinge beunruhigen mich: „Baller“ ist nicht unique im Jahrgang, es gibt vieles, was damit verglichen werden wird – von Belgien über Österreich und Finnland bis Australien. Und ich befürchte, Stefan Raab wird die Inszenierung verschlimmbessern. Die Zertrümmerung eines Cellos zum Beispiel finde ich persönlich sehr schrecklich und ich hoffe inständig, dass wir das in Basel nicht sehen müssen.
Platz 8: Polen
Ich kann mir selbst nicht ganz erklären, was ich an diesem Beitrag so faszinierend finde. Vermutlich die Kombination aus mysteriösem Vibe, Justynas vollem Körpereinsatz und dem eingängigen Dance-Beat. Abzug gibt’s lediglich für die seeeehr lang gezogenen Töne. Das ist mir zu theatralisch. Ansonsten cool!
Platz 7: Belgien
Ich mag ja solche „Themenpakete“ und hier wird das Thema „rot“ wirklich konsequent durchgezogen: Künstlername, Kleidung, Haare, Beleuchtung – alles ist rot. Mir gefällt an dem Lied auch, dass es so ein bedingungsloser Elektrobanger mit hämmerndem Beat ist, der kaum durch zu viel Pop- oder andere Einflüsse „verwässert“ wird. Trotzdem packt mich Red Sebastian von der Bühnenpräsenz her nicht so richtig, genauso wenig wie die Melodie des Tracks (absehen von „Cotton Candy Haze“, was ich oft random als Ohrwurm habe).
Platz 6: Österreich
Persönlich mag ich diesen Opernpop auf modern gar nicht so sehr, finde ihn aber extremst ESC-geeignet. „Wasted Love“ hat einen interessanten Spannungsaufbau, der sich gut inszenieren lässt. Und JJ wird mit seiner Stimme die Jurys und auch einen Teil der Zuschauer extrem beeindrucken (da ist es dann auch vollkommen egal, dass die andere Hälfte Ohrenbluten bekommt). Was ich übrigens nicht nachvollziehen kann, sind die häufigen Vergleiche zu „The Code“. Dort ist doch nur ein Miniteil hoher Operngesang gewesen, wohingegen bei Österreich der ganze Song darauf aufbaut. Ist jetzt auch jeder Rap-Song ein „The Code“-Nachahmer, weil es auch einen Rap-Part im Lied gab?
Platz 5: Schweiz
Was für ein wunderschönes, ruhiges Kleinod in diesem lauten Jahrgang. „Voyage“ ist sehr unaufgeregt und trotzdem sehr emotional und authentisch und besticht durch eine elegante Melodie. Zoë transportiert über ihre zerbrechliche, warme und sanfte Stimme so viel Gefühl. Ja, auf diese musikalische Reise begebe ich mich gerne. Und auch wenn ich sonst nicht die Zeiten des Orchesters zurücksehne, diesen Beitrag mit Live-Orchester zu erleben, wäre bestimmt toll.
Platz 4: Albanien
Zum Glück gab es in diesem Jahr keinen albanischen Revamp! „Zjerm“ ist perfekt genau so, wie es ist. Es hat etwas ganz Eigenes an sich und ist eine wirklich tolle Verflechtung von traditionell und experimentell. Ich finde die ungewöhnliche Struktur des Liedes, die Elektroeinflüsse und auch den Sprechgesangsteil sehr spannend. Und Albanisch ist vom Klang her so eine interessante Sprache.
Platz 3: Finnland
Ich mag „Ich komme“ sehr. Der Song ist extrem eingängig, aber nicht zu einfach gestrickt. Ich freue mich schon auf den Moment, in dem dann die ganze Halle „Ich komme“ singen wird. Bei diesem Titel finde ich auch die laszive Performance passend, weil sie Hand in Hand mit dem Textinhalt geht und kein „Sex sells“ für einen Song ist, der musikalisch nicht überzeugt und deshalb durch Räkeleien und Powackeln verkauft werden muss, wie sonst in der Regel. Auch finde ich es gut, dass der Text (im Gegensatz zur Konkurrenz aus Australien) sehr auf Augenhöhe ist, es geht einfach um zwei, die Spaß beim Sex haben („Und wenn du kommst, komme ich mit“) – und ist das wirklich provokativ?!
Platz 2: Ukraine
Wieder ein kolossal kreativer Beitrag aus der Ukraine – und wieder mit großartigem Text. Die Zweisprachigkeit entwickelt eine sympathisch abwechslungsreiche Dramaturgie, die hymnischen Chor-Elemente und die Tempi-Wechsel machen den Song aufregend und innovativ. Allein das Staging mit der Blumenwiese ergreift mich jetzt nicht so. Aber ein Top-Gesamtpackage aus Gesang, Song und Bandperformance, deren Punktzahl am Ende viele überraschen könnte.
Platz 1: Norwegen
Selten lag ich mit meiner Nummer 1 so abseits der allgemeinen Bewertung in Fankreisen und bei den Buchmachern. Dort liegt der jüngste Teilnehmer des ESC-Jahrgangs meist recht abgeschlagen im unteren Mittelfeld. Kyle ist super sympathisch und der Beitrag hat einen sehr catchy Hook. Den sollte man auf keinen Fall unterschätzen, wenn es um die vorderen Platzierungen geht. Norwegen bringt oft eingängige Songs und mit „Lighter“ geht diese Tradition für mich weiter. Es ist einer der Songs, die ich am häufigsten auf der ESC-Playlist höre, zudem war der Auftritt von Kyle im Vorentscheid auch sehr gut. Natürlich erfindet Norwegen hier nicht das Rad neu und spielt etwas safe, aber für mich werden hier einige Kriterien erfüllt, um ein gute Ergebnis einzufahren.