Mittwoch, 7. April 2021

Meine Bewertung zu allen 39 Songs des ESC 2021

 So, nun wie angekündigt die Einzelbewertung aller 39 Beiträge in diesem Jahr anhand meines vorher ermittelten Rankings:

39. Nordmazedonien: Einfach nur schlimmes Gewinsel. Setzen, Sechs!

38. Estland: Während Nordmazedonien einfach nur schlecht ist, fällt der estnische Beitrag eher in die Kategorie "meh". Der Song bleibt einfach nicht richtig hängen, der Sänger hat null Charisma und es ist eben das typische Radio-Gedudel, das ich tagein tagaus im Büro über mich ergehen lasse. Wie es dieser Song ins Finale schaffen soll ist mir schleierhaft.

37. Spanien: Hier ist der Song genauso irrelevant wie der aus Estland, aber immerhin der Sänger hat minimales Charisma vorzuweisen. Für meinen Geschmack ist das hier die größte Enttäuschung im Vergleich zum Vorjahr. Während "Universo" ein für spanische Verhältnisse qualitativ hochwertiges Produkt war, gab es "Voy a quedarme" wohl zusammen mit dem anderen Song aus der Vorentscheidung wohl zum Sonderangebot á la "Nimm 2, zahl 1". Da hilft auch die von 2020 schon bekannte Stimmakrobatik nicht: diese Ballade lässt mich vollkommen kalt, und das obwohl sie auf einer der schönsten Sprachen überhaupt gesungen wird.

36. Vereinigtes Königreich: Normalerweise kommt so ein Titel beim Melodifestivalen auf den 6. oder auch 7. Platz im Deltävling (= Halbfinale). Und leider hört er sich auch genauso an wie ein Gewächs aus schwedischer Massenproduktion. Wie der Spanier kann auch der Brite mit dem an sich hörbaren, aber dann doch auch eher unauffälligen Vorjahresbeitrag nur bedingt mithalten. Klar, 2021 ist nicht 2020, aber der Vergleich muss manchmal eben sein. Das ganze wird von einigen Fans als einer der besten Beiträge des UK seit vielen Jahren gehypt, da kann ich nur mit dem Kopf schütteln.

35. Albanien: Anxhela war die erste Sängerin, die für 2021 neu mittels Vorentscheid ermittelt wurde. Sie hatte also viel Zeit, an ihrem Song herumzuschrauben. Herausgekommen ist war immerhin keine Anglizierung, aber leider auch keine Verbesserung. Warum musste man diesen im Original sehr schönen Song denn so verunglimpfen? Es wirkt einfach wie "mit angezogener Handbremse", da kann sie im Video noch so energisch durch die Gegend spazieren, es passt einfach nicht zum Song. Dem hat man durch den Revamp nämlich sämtliche positiven Attribute genommen.

34. Norwegen: Sie hätten Bayern München haben können und haben sich für Schalke entschieden: zwar immer noch Bundesliga, aber im Vergleich zu 17 anderen Beiträgen leider mit Abstand am schlechtesten. Dieser Vergleich passt zum norwegischen Beitrag wie ich finde recht gut, denn auch TIX hat viele eingefleischte Fans, aber eben leider vom Song her nicht mal im Ansatz die Qualität zum Meister. Wäre die altbackene Popnummer wenigstens auf Norwegisch geblieben, aber nein...!

33. Polen: Das ist dann wohl The Weeknd für Arme. Sehr gewollt und kaum gekonnt kupfert der JESC-Moderator von Warschau 2020 den Hit des Vorjahres ab. Mit schönen LED-Reklamen und schicker Sonnenbrille im Video versucht man vom Klangteppich namens "The Ride" abzulenken. Und diese Fahrt ist leider weniger Achterbahn, sondern eher Butterfahrt.

32. Irland: Während die gute Lesley Roy in 2020 noch den Wink mit dem Zaunpfahl auf ihre sexuelle Orientierung hingewiesen hat (man schaue sich ihr damaliges Musikvideo an), geht sie passend zur aktuellen Freizeitbeschäftigung vieler Leute 2021 eben spazieren und läuft durch die wildromantische Landschaft ihrer Heimatinsel (nein, nicht Manhattan!). Der Song? Achja, den gibt ja auch noch. Der tut nicht weh und zieht an mir vorbei wie eine angenehme Frühlingsbrise. Hängen bleibt aber eher wenig, ein typischer Radio-Popsong eben.

31. Tschechien: Hier wurde im Vergleich zu 2020 auf jeden Fall eine erhebliche Steigerung erzielt, das muss ich anerkennen. Es zeigt eine flottere und poppigere Seite von Bennys Afrika-Mucke. Der Song hat auch eine tschechisch-sprachige Zeile und zur Corona-Zeit passende Lyrics vorzuweisen. Nur leider kommt er dann doch nicht ganz an die diesjährige Konkurrenz heran. Vielleicht erwärmen sich die Vielfalt zelebrierenden Jurys ja für ihn, ich befürchte aber eher ein vorzeitiges Aus am Donnerstagabend.

30. Italien: Tja, für eingefleischte Rockfans mag das die Krone der Schöpfung sein, für mich fehlt da einfach die Melodie und die Hook, damit ich den Titel genießen kann. Im Gegensatz etwa zum finnischen Beitrag klingt das mehr nach purem Geschrei als nach harmonischer Rockmusik. Da es auf Italienisch gesungen wird hat es zwar grundsätzlich ein Plus zu verzeichnen, aber wenn man bedenkt, dass seit der Rückkehr nur der Rocksong (2014) abgeschmiert ist sehe ich keine rosige Zeit auf Måneskin in Rotterdam zukommen, ich tippe auf Platz 20 oder jenseits davon.

29. Dänemark: Da haben die Dänen ja zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder Mut bewiesen und mal etwas ganz anderes im DMGP ausgewählt. Und erstmals seit 1997 (!) wird wieder ein rein dänischsprachiger Beitrag beim ESC zu hören sein. Mit Fyr og Flamme scheint sogar ein rein auf die "Zielgruppe" des ESC orientierter Act anzutreten, der die 2021er-Version der deutschen 80er-Combo Modern Talking darstellen könnte. Ihr Beitrag ist definitiv keine Neuerfindung des Rads und wird wenn überhaupt wahrscheinlich nur knapp ins Finale rutschen können, hat aber das Potenzial, bei den Zuschauern zu polarisieren und dadurch zum "Guilty Pleasure" dieses Jahrgangs zu werden. Erstaunlicherweise nervt da nicht mal die zum Singen eher ungeeignete Dänische Sprache.

28. Georgien: Tja, künstlerisch wertvoll ist er auf jeden Fall, der georgische Song. Und da Georgien in fast jedem Jahr aus dem Rahmen fällt gehört es zu meinen Lieblings-Teilnehmerländern beim ESC. Doch während Tornikes Vorjahresbeitrag perfekt zu seiner Rock-Röhre gepasst hat und zugleich auch noch hymnenhaft den Big5-Status der gesetzten Finalisten auf die Schippe nahm, ist der diesjährige Song zwar qualitativ hochwertig, aber leider auch recht farblos und viel zu unauffällig, um nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben. Hier besteht die Gefahr, dass Georgien zum dritten Mal im Halbfinale Letzter werden könnte.

27. Rumänien: Roxen bleibt ihrem Stil definitiv treu, der Song ist etwas flotter als "Alcohol You", hat aber irgendwie weniger Ecken und Kanten. Wenn ich die Playlist zum ESC 2021 abspiele, läuft er meistens einfach so an mir vorbei, wie das übliche Gedudel aus dem Radio. Und genau das ist gefährlich und unterscheidet "Amnesia" (was für ein passender Name zum Song!) vom Vorjahres-Beitrag. Da es Rumänien ist und die vielleicht ein passables Staging aus dem Hut zaubern würde ich den Finaleinzug nicht gänzlich abschreiben. Rein vom Song her aber auf jeden Fall ein Wackelkandidat.

26. Portugal: Es mag Leute geben, die sehen den Song als öde und langweilig an, aber ich kann ihm doch etwas abgewinnen: die spezielle Stimme des Lead-Sängers oder aber auch die klassisch schöne Instrumentalisierung. Aber auch ich muss anerkennen, dass es leider keine wirklichen Höhepunkte gibt, was bei einem Wettbewerb natürlich ein ganz schlechtes Merkmal für einen Song ist. Portugiesisch hingegen hätte zu diesem Song nicht wirklich gepasst und es ist eine erhebliche Steigerung zu dem Quark, den sie 2020 ausgewählt hatten. Das war nämlich der einzige von den 41 Songs, bei dem ich froh war, dass er nie teilgenommen hat.

25. Niederlande: Ein Gastgeber-Beitrag ist ja nur recht selten im Favoritenkreis zu finden. So auch der niederländische Song von Jeangu Macrooy. Sein Beitrag im Vorjahr war meiner Meinung nach wesentlich stärker, wie der Songtitel suggeriert eben ein echter "Grower" und mit die schönste Ballade des ausgefallenen ESC-Jahrgangs. Von Ballade zu Gospel: in diesem Jahr wird es überraschend ethnisch angehaucht und wir hören erstmalig beim ESC die Kreolsprache Sranantongo aus seiner Heimat Suriname in Südamerika. Man versucht hier offensichtlich, auf den Erfolg von Österreich 2018 oder auch Schweden 2019 anzuknüpfen und mit einem schwarzen Künstler und Gospel zu punkten. Nur weißt der Song dann aufgrund seiner wenigen Höhepunkte dann doch erheblich weniger Erfolgspotenzial auf als wohl gewünscht war. Dennoch eher kein Kandidat für den letzten Platz im Finale.

24. Moldawien: Natalia Gordienko hat mit ihren inzwischen 3 ESC-Titeln auf jeden Fall ihre Bandbreite eindrucksvoll präsentiert. Von Latina-Mucke 2006 über eine Drama-Ballade 2020 nun zur Maruv-Gedächtnisnummer 2021, die voll auf die 12 geht und das Prädikat "Sex sells" definitiv verdient hat. Wie die verhinderte ukrainische Repräsentantin von 2019 weiß Natalia mit lasziven Bewegungen und einem osteuropäisch klingenden Hintergrund-Beat zu gefallen, jedoch ist das alles etwas sehr gewollt und auf Erfolg getrimmt. Ich nehme ihr die Nummer einfach nicht ganz ab. Dennoch freut es mich, dass etwas Trash auch im Corona-Jahr 2021 beim ESC nicht fehlen darf.

23. Israel: Der Revamp hat den Song definitiv nach vorne katapultiert. Nichtsdestotrotz gab es definitiv bessere Optionen im dortigen Finale. Nach dem Vorentscheid verschwand der Song bei mir relativ schnell in der Versenkung, doch mit dem Revamp hat er wieder erheblich gewonnen in meiner Gunst: Edens Stimmakrobatik ist echt beeindruckend, das Orient-Feeling kommt jetzt besser durch. Rund um Platz 20 könnte das am Ende durchaus landen.

22. Ukraine: Eine sehr eigenwillige Mischung bietet uns die Ukraine da auf, definitiv einer der sperrigsten Titel dieses Jahrgangs. Hier wird es wohl nur zwei Lager geben: die einen, die das analog zum Titel einfach nur als "Lärm" bezeichnen und diejenigen, die große Fans des Songs sind. Bei der Originalversion zählte ich mich auf jeden Fall zu den Fans, auch "Solovey" fand ich schon klasse. Da der Revamp aber quasi einen komplett neuen Song hervorgebracht hat, musste ich mich erst mal umgewöhnen und kam zu der Erkenntnis, dass das ganze jetzt mehr Lärm als Guilty Pleasure ist. Aufgrund der Andersartigkeit und des immer schneller vorantreibenden Beats gibt's aber dennoch einen Platz im Mittelfeld.

21. Deutschland: nach dem wirklich guten Song aus dem Jahr 2020 findet sich der deutsche Beitrag in 2021 wieder mal in der zweiten Hälfte wieder. Doch während das deutsche Finale aus der Elbphilharmonie gezeigt hat, wie unbeholfen Ben Dolic auf der Bühne steht, sieht es in diesem Jahr komplett anders aus. Heuer ist der Sänger eine echte Rampensau, nur der Song ist dann doch etwas zu dünn, um mich komplett zu überzeugen. Er ist mal was anderes aus Deutschland und kann beim richtigen Staging auf jeden Fall mitreißen, so mancher (gerade ältere) Zuschauer wird sich aber wohl von der etwas hektischen Performance mehr überfordert als überwältigt fühlen. Daher glaube ich nicht an den großen Wurf, würde mich aber natürlich dennoch über ein passables Ergebnis am Ende freuen.

20. Zypern: Zypern bildet bei mir in diesem Jahr die goldene Mitte. Der Song ist sehr gut produziert und vor allem eingängig, das ist definitiv sein größtes Plus. Das Staging dürfte auch spannend werden. Ob damit allerdings erneut der große Erfolg kommt, ich wage es zu bezweifeln. Dafür sind die Anleihen bei Lady Gagas Hits dann doch etwas zu groß. Manch einer würde sogar sagen die Aufmachung sei billig, das fände ich wiederum zu übertrieben geurteilt. Dürfte wohl in etwa Tamtas Ergebnis erreichen und im Televoting etwas besser als bei den Jurys abschneiden.

19. Österreich: Wesentlich besser als 2020, aber leider auch 2021 kein großer Wurf. Der Titel bringt mich aber gerade gegen Ende hin doch etwas in seinen Bann, gerade das emotional gesungene "Amen" holt mich doch jedes Mal ab. Fragt sich nur, ob der Titel zwischen den anderen Balladen groß heraussticht. Hier müsste also das Staging stark überzeugen.

18. Frankreich: Frankreich schickt ein wirklich herausragend hochwertiges Stück Musik zum Wettbewerb, typisch französisch klingend und doch wieder ganz anders als etwas das Chanson von Patricia Kaas damals. Kurios finde ich die Diskrepanz zwischen ihren beiden super-fröhlich-flockigen JESC-Songs und ihrem ESC-Beitrag in diesem Jahr. Alles schreit hier nach Jury-Liebling und ich denke, dass sie dort auch die Top10 fest gebucht hat, sofern Sie den Auftritt nicht versemmelt. Aber nach ihrem überzeugenden VE-Auftritt glaube ich nicht an einen Faux-pas. Mir persönlich ist es etwas zu wenig eingängig, daher nur Platz 18 in meinem Ranking.

17. Schweden: Es gibt so einige Attribute, die man von schwedischen ESC-Acts grundsätzlich erwarten darf: eingängiger glattgebügelter massentauglicher Pop mit einer dazu passenden Choreographie und mindestens guten Vocals des Leadsängers. Und genau das gibt es auch 2021 wieder. Garniert mit der tragischen Geschichte des kongolesischen Flüchtlings, der ohne elterliche Begleitung nach Schweden kam und dann als Teenager "Idols" gewann. "Voices" ist eine rundherum ESC-typische, sehr nach 2021 klingende Nummer, die mühelos das Finale erreichen und dort wohl auch in den Top10 landen sollte.

16. Slowenien: Ana Soklic hatte etwas ganz anderes als ihren Vorjahresbeitrag angekündigt und kam doch wieder mit einer eher sperrigen Ballade um die Ecke. Doch aus irgendeinem Grund gefällt sie mir gut. Ana's tiefe Stimme könnte es sein, oder auch die Steigerung hin zum letzten Refrain oder das allgemein vorherrschende Gospel-Feeling des Songs. Allgemein wird der Song als recht chancenlos eingestuft, ich sehe hingegen vor allem bei den Jurys ein Dark-Horse-Potenzial, denn die letzten beiden Jury-Ergebnisse haben gezeigt, dass Gospel dort für heillose Ekstase sorgt (siehe: Österreich 2018 und Schweden 2019).

15. Russland: Man könnte den russischen Beitrag als absolut wirres Machwerk ansehen á la "Ist das Kunst oder kann das weg?". Oder man lässt sich auf die verschiedenen Stilrichtungen ein und genießt das Spektakel. Manizha engagiert sich für Frauenrechte und genau so klingt auch der größtenteils auf Russisch gesungene Beitrag: wie eine wütende, aber egenerisch voranschreitende Frau auf einer Demonstration. Hip-Hop meets Russische Seele, das zieht mich in seinen Bann und bestimmt auch einige Zuschauer am Samstagabend. Der dürfte wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit russischer Beteiligung stattfinden.

14. Bulgarien: Victoria war in 2020 eine meiner größten Favoritinnen, wenn nicht sogar mein Lieblingsact. Das zerbrechliche Etwas hat sie behalten, an sich hat sich nicht viel verändert. Aber wieso auch, schließlich lag sie am Tag der Absage auf Platz 1 der Wettanbieter-Rangliste. Es geht ans Herz, sowohl der Text als auch die schaurig schöne Melodie im Hintergrund. Dennoch ist es weit entfernt von dem Niveau, das "Tears Getting Sober" an den Tag gelegt hat. Ihr neuer Song ist schön, aber eben auch kein absolutes Meisterwerk.

13. Australien: Es ist unendlich traurig, dass der ESC 2020 nie stattgefunden hat, und ebenso traurig, dass Australiens Vertreterin auch in 2021 nicht vor Ort sein kann. Dennoch bin ich froh darum, dank der Absage auch einen wirklich zu ihr passenden und meiner Meinung nach wesentlich besseren Titel zu hören als im Vorjahr. Während "Don't Break Me" eine wirre Performance und eher anstrengende akustische Erfahrung vereinte, ist "Technicolour" scheinbar genau das, was Montaigne sonst so produziert. Und es gefällt mir sehr gut. Mein Highlight sind definitiv die Techno-Sounds, die mich direkt an den Film "Das 5. Element" erinnert haben. An sich ein finalwürdiger Titel, nur weiß ich nicht, ob die Live-On-Tape-Performance dem entgegenkommen oder sie eher benachteiligen wird.

12. Griechenland: Das ist unter den diesjährigen Uptempo-Nummern eindeutig eine der besseren. Stefania hat dieses Lolita-hafte, manche würden auch sagen, bei ihr greift der "Welpen-Bonus", das viele Stimmen bringen könnte. Aber auch unabhängig davon ist der griechische Beitrag stark auf Erfolg getrimmt und eine eingängige Nummer, die vor allem im Gegensatz zu vielen Konkurrenten einen klar definierbaren und starken Refrain aufweist. Leider fehlen in diesem Jahr die Ethno-Anleihen etwas, die mir bei "Supergirl" so gut gefallen haben. Dennoch sehe ich hier Potenzial für eine Platzierung in der ersten Hälfte des Finales.

11. Kroatien: Kroatien hat mich in diesem Jahr echt positiv überrascht. Nach der eher schleimigen klischeehaften Ballade aus dem Vorjahr, bei der mich außer der Stimme des Sängers so gar nichts geflasht hat, geht man diesmal den komplett gegensätzlichen Weg: eine junge hübsche Sängerin, die von jungen männlichen Models umtanzt wird und dabei die wohl am wenigsten kroatisch klingende Popnummer in der ESC-Geschichte des Landes zum besten gibt. Der Song ist tanzbar, wummert schön vor sich hin und ist abwechslungsreich. Bonuspunkte gibt es für die Bridge in Landessprache. Für mich ein klarer Finalist.

10. Malta: Ihren Vorjahresbeitrag fand ich am Ende dann doch etwas eingängiger und hymnischer, aber mal ehrlich: Wenn Destiny es singt, kann auch "Alle meine Entchen" ein Hit werden. Diese junge Frau hat eine Stimme vor dem Herrn und wird allein deswegen von den Jurys ganz nach vorne gewertet. Ob das allerdings auch die Televoter zum Anruf animiert kann ich so gar nicht abschätzen. Bei mir noch knapp in den Top10.

9. Serbien: Da haben sich die drei Serbinnen definitiv gesteigert. Statt wie im Vorjahr zu billig, zu wenig catchy und zu wenig abwechslungsreich haben sie in diesem Jahr mit "Loco loco" einen echten Bop am Start. Die Nummer muss dann aber auch analog zum Musikvideo aus dem Vollen schöpfen und ein Feuerwerk auf der Bühne abgebrannt werden. Der Song kann sich vermutlich nur auf das Televoting verlassen, von den Jurys gibt's wohl eher wenig.

8. Belgien: Auch wenn ich es den Belgiern übel nehme, dass sie beim "Love Shine A Light"-Medley im Vorjahr als einziger Act nicht dabei waren und klammheimlich die damalige Sängerin rausgeschmissen haben, bewerte ich hier nur den diesjährigen Beitrag. Und der ist doch wesentlich eingängiger als der von 2020. Das mag nicht nur, aber auch an der neuen (und alten) Frontsängerin Geike liegen, die mit ihrer Stimme die bisher größten Hits der Band geprägt hatte. Und sie passt nun mal perfekt zum leicht spookigen Thema des neuen Songs, der etwas an sich hat, das mich fesselt. Qualitativ ein echter Hingucker und der typische Sound von Hooverphonic.

7. Finnland: Endlich mal wieder was richtig Gutes aus Finnland! Es ist kein Wunder, dass Blind Channel die finnische Show UMK so haushoch gewonnen haben. Ihr Titel "Dark Side", so ziemlich in jeder Hinsicht das krasse Gegenteil zu Aksels Schnarchballade im Vorjahr, lässt nichts anbrennen und bietet Headbangern eine tolle Vorlage, um die Mähne mal wieder richtig durchzuschütteln. Aber auch Kurzhaar-Freunde wie ich können mit der Nummer viel anfangen, sie reißt einen mit und ist einer der wenigen melodischen Rocksongs der letzten Jahre beim ESC. In Sachen Eingängigkeit mit das beste in diesem Jahr und für mich ein klarer Top10-Anwärter.

6. Aserbaidschan: Efendis Ode an die altägyptische Königin Kleopatra war mein persönliches Guilty Pleasure in 2020. Und da das nicht nur bei mir, sondern ganz allgemein gut ankam (u.a. auch als Finalist im deutschen Finale aus der Eilbphilharmonie), hat man kurzerhand das Rezept leicht angepasst (niederländische Spionin statt ägyptische Diva) und mit (noch) mehr Ethnoklängen angereichert. Es wird, und das ist in diesem Jahr tatsächlich einzigartig, sogar im Text direkt auf den Vorjahresbeitrag angespielt und zugleich ein erneuter Guilty Pleasure-Alarm ausgelöst. Insbesondere der extraschnelle Schlussakkord fesselt mich bei jedem Hören erneut und lässt den Zuhörer geflasht zurück. Scheinbar hat das frühere Powerhouse vom Kaspischen Meer seit 2019 wieder den Dreh raus!

5. Litauen: Sie waren für mich die Sieger der Herzen, und 2020 ist aus meiner Sicht ein Jahrgang, in dem Litauen erstmals als Sieger vom Platz gegangen wäre. Sie haben nicht nur die deutsche Ersatzshow, sondern auch das offizielle OGAE-Fanvoting für sich entschieden und daher war es nur logisch, dass sie auch 2021 antreten würden. Der Vorentscheid war reine Formsache und daher dürfen wir DIE Entdeckung des Vorjahres auch diesmal beim ESC begrüßen. "Discoteque" ist wie "On Fire" ein Mittanz-Beitrag, der unendlich gut choreographiert wurde, aber die letzte Nuance zum sicheren Sieg fehlt dann doch irgendwie. Dennoch macht es jedes Mal erneut Spaß, sich das ganze anzusehen.

4. Lettland: Für mich ist das der am meisten unterschätzte Song des Jahrgangs. Ich fand "Still Breathing" schon klasse, hatte Samanta Tina in all den Jahren davor nie so richtig auf dem Schirm. Genau dann gewinnt sie auch noch die Supernova und was passiert? Der ESC fällt aus! Mit ihrem Mond-Song zeigt sie nochmals, was in ihr steckt: Female Empowerment, leichte Flamenco-Anleihen und dann wieder der typische Dubstep/Techno-Sound von Aminata. I like! Hoffentlich geht das gut aus, verdient hätte Samanta es nach all den erfolglosen Versuchen der Vorjahre.

3. Schweiz: Ich weiß nicht, wie das schon wieder der Fall sein kann, aber Gjon's Tears hat mich erneut tief berührt mit seinem Song. Allein das Video mit den Kopfüber-Flügen über die Schweizer Alpen und der Tragik des Autounfalls geht irgendwie jedem nahe und beeindruckt zugleich. Das Universum, so weit und doch so kalt. Der Song hingegen wärmt mich bei jedem Hören und Gjon's glockenklare Stimme ist einfach nur der Hammer. Für mich ein würdiger ESC-Sieger und nach 33 Jahren wäre es mal wieder Zeit für einen französischen Winner. Die Finalqualifikation ist ausgemachte Sache, fragt sich nur ob er das Semifinale auch gewinnen kann.

2. Island: Als der ESC Favorites Sorter diese Top39 ausgespuckt hat war ich erst doch leicht überrascht, dass es Island auch in diesem Jahr unter die ersten Drei geschafft hat. Wenn man den Titel dann öfters hört finde ich es aber doch richtig, dass er so hoch in meiner Gunst liegt: Er ist ein Ohrwurm, hat den typischen "Dadi-Elektrosound" und ist dennoch keine Kopie des Vorjahresbeitrags (Siehe und lerne, Aserbaidschan!). Die ganze Kombo ist schon was Neues im ESC-Universum, hat was von Gullivers Reisen ;) und ich denke, dass die Menschen, die vom ESC-Song 2020 nix mitbekommen haben, auf jeden Fall den Überraschungsmoment haben werden, den wir 2020 hatten. Könnte durchaus ein Dark Horse werden, dieser Song.

1. San Marino: 2013 hatte es die älteste Republik der Welt schon mal bei mir aufs Treppchen geschafft, war dann aber in Malmö dennoch im Semifinale gescheitert. Das dürfte in diesem Jahr wohl so ziemlich ausgeschlossen sein. Und wie Valentina Monetta hat Senhit die erneute Chance genutzt und dürfte so auch mit dem dritten Werk beim ESC mit Abstand das beste Ergebnis einfahren. Denn man überlässt nichts dem Zufall: man hat so ziemlich alle erfolgreichen ESC-Komponisten engagiert, lässt (evtl. auch in Rotterdam) einen US-Star-Rapper auftreten und garniert das ganze mit ethnischen Klängen aus Senhits Heimatland Eritrea. Und als wäre das nicht genug, geizt das Musikvideo auch nicht mit optischen Reizen und stellt die super produzierte Pop-Nummer nur noch mehr ins Rampenlicht. Das ganze wird wohl nicht gewinnen, aber für mich ist das das beste Gesamtpaket in diesem Jahr und sollte mindestens die Top10 erreichen. Und allein das wäre ja für das kleinste Teilnehmerland eine Sensation, oder?

Donnerstag, 1. April 2021

Meine Top39 für den ESC 2021

 Nachdem der ganze Spaß und die Vorfreude 2020 nicht stattgefunden haben, geht es 2021 nun mit umso mehr Elan in die Pre-ESC-Saison. Hier meine Top39 sowie die jeweiligen Qualifikanten aus den beiden Semis ausgehend von meinem Ranking:



In den nächsten Tagen werde ich die einzelnen Beiträge und meine Bewertung dazu etwas genauer erläutern, die endgültige Prognose, wer ins Finale einzieht erfolgt dann wie üblich erst am Tag vor dem jeweiligen Semifinale. Bis dahin viel Spaß mit den 39 Songs und fröhliches Schönhören!